Kurzexpertise zu formulierten Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer möglichen Diskriminierung blinder und sehbeeinträchtigter Menschen durch geräuscharme Kraftfahrzeuge Mögliche Diskriminierung durch öffentliche geräuscharme Verkehrsmittel, hier Busse a) Beim Einsatz geräuscharmer Busse im öffentlichen Personenverkehr (Kraftfahrlinienverkehr) ist zum einen die mögliche Diskriminierung gegenüber Fahrgästen zu beachten. Diesbezüglich ist zweifellos ein Geltungsbereich des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG), BGBl.I Nr. 82/2005 igF, gegeben (§ 2 Abs. 2 leg. cit). Eine Diskriminierung könnte dann vorliegen, wenn die Zufahrt des Busses zum Haltebereich aufgrund des niedrigen Betriebsgeräusches nicht wahrgenommen werden könnte und auch ansonsten kein akustisches Signal für eine Einstiegsmöglichkeit gegeben wird. In diesem Fall wird eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 5 Abs. 2 leg. cit. zu bejahen sein. Die Geräuscharmut ist ein Merkmal eines gestalteten Lebensbereiches. Durch sie werden blinde und sehbeeinträchtigte Menschen (soweit sie zur räumlichen Orientierung auf ihr Gehör angewiesen sind) dadurch in besonderer Weise benachteiligt, dass ihnen die Nutzung des Verkehrsangebotes nicht oder nicht zuverlässig möglich ist. Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob der Einsatz geräuscharmer Busse eine sachliche Rechtfertigung durch ein rechtmäßiges Ziel (Reduktion des Verkehrslärms) erfährt, weil jedenfalls eine Angemessenheit und Erforderlichkeit der Mittel zur Erreichung dieser Ziele deswegen nicht gegeben ist, weil dieses Ziel durch ein akustisches Signal bei Einfahrt und ggf. Ausfahrt aus den Haltestellen nicht gefährdet wäre. Eine unverhältnismäßige Belastung durch den Einbau derartiger akustischer Signale liegt zweifellos nicht vor, da der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zu den sonstigen Kosten eines öffentlichen Verkehrsmittels vernachlässigbar ist. Fraglich ist in diesem Zusammenhang noch, ob die Geräuscharmut eines Verkehrsmittels eine Barriere im Sinne des BGStG darstellen kann. Diesfalls wäre noch § 6 Abs. 4 leg. cit. zu prüfen. Nach Überzeugung der Behindertenanwaltschaft ist dies im Ergebnis zu bejahen. Das Fehlen bzw. der Wegfall bislang gewohnter räumlicher Orientierungssignale kann unter dem Begriff einer von Menschen geschaffenen Erschwernis subsumiert werden. Bei der Prüfung gem. § 6 Abs. 4 leg. cit. ist festzustellen, dass – soweit ersichtlich jedenfalls bislang – keine auf den gegenständlichen Fall anwendbaren - inländischen Rechtsvorschriften zur Barrierefreiheit vorliegen. Seit kurzem in Kraft ist die Verordnung (EU) Nr. 540/2014 in Kraft, die in den Erwägungsgründen 19 und 20 (erstmals) auf die Problematik lärmarmer Fahrzeuge für blinde und sehbehinderte Personen hinweist. In dieser Verordnung wird in Artikel 8 darauf verwiesen, dass die Hersteller bis spätestens 1. Juli 2019 in neuen Typen von (bestimmten) Fahrzeugen, ein akustisches Fahrzeug-Warnsystem einzubauen haben. Bis dahin – und für den aktuellen Bestand an geräuscharmen Fahrzeugen - fehlt es jedoch an einschlägigen verpflichtenden Normen, sodass ein Anwendbarkeit des § 6 Abs. 4 BGStG für diese Fragestellung aktuell zu verneinen ist. Es wird jedoch bei der Beurteilung der bereits jetzt erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung einer Diskriminierung auf diese einschlägigen (in Zukunft geltenden) Bestimmungen, wohl im Sinne einer Obergrenze für die aufzulegende Belastung, Bedacht zu nehmen sein. Hingewiesen wird ergänzend auf den mit 1.1.2009 erfolgten Ablauf der einschlägigen Übergangsfrist des BGStG. b) Von der Fallgestaltung gem. 1a) ist jene zu unterscheiden, ob eine mögliche Diskriminierung auch für Verkehrsteilnehmer bestehen kann, die nicht als Fahrgast den Bus nutzen wollen sondern diesem im Straßenverkehr als Verkehrsteilnehmer (Fußgänger) begegnen. Hier ist die Anknüpfung an den Geltungsbereich des BGStG schwieriger. Verwaltung des Bundes, selbst Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes liegt zwar hinsichtlich des Busbetriebes selbst nicht vor (das Problem besteht derzeit ja nur bei Bussen der Wiener Linien), die Anknüpfung für die Verwaltung des Bundes (§ 2 Abs. 1 leg. cit) könnte jedoch im Verkehr auf Bundesstraßen sowie dem Kraftfahrgesetz) gefunden werden. Auch könnte man an die Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses, soweit es sich um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen handelt, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und für die eine unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes besteht ist möglicherweise zweifelhaft (§ 2 Abs. 2 leg. cit) anknüpfen. Die Nutzung des öffentlichen Raumes bzw. eines Gehsteiges wird jedoch wohl unmittelbar oder mittelbar als Gut, das der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, bezeichnet werden können, die Regelungskompetenz des Bundes ist in diesem Fall wohl für Bundesstraßen (als mittelbare Bundesverwaltung) gegeben. Somit schließt die Behindertenanwaltschaft auch das Zutreffen des Geltungsbereiches des BGStG für den Fall einer Verkehrsteilnahme und einer diesbezüglichen Barriere zumindest auf einer Bundesstraße (z.B. bei der beabsichtigten Überquerung einer solchen) nicht aus aus. Freilich ist der Begründungszusammenhang doch zweifelhaft und unsicherer. Im Übrigen gilt das unter a) Ausgeführte. Zusammenfassend wird festgestellt, dass nach Auffassung der Behindertenanwaltschaft die Voraussetzungen für eine Klage auf Grundlage des BGStG - nach dem Scheitern eines Schlichtungsverfahrens – in unterschiedlicher Sicherheit/Wahrscheinlichkeit durchaus gegeben sind. Die erste Fallgestaltung (a) ist nach unserer Auffassung mit deutlich höheren Erfolgsaussichten zu bewerten als die zweite (b). Judikatur oder auch nur einschlägige Literatur liegen jedoch – soweit überblickbar – zu beiden Fallgestaltungen nicht vor. Über die Erfolgswahrscheinlichkeit und das mögliche Kostenrisiko (zu erwarten ist wohl die Einholung von technischen und akustischen SV-Gutachten) kann keine Einschätzung abgegeben werden. Auch wird jedwede Haftung für diese Expertise, die nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt ist, ausgeschlossen. ANWALT FÜR GLEICHBEHANDLUNGSFRAGEN FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG DR. ERWIN BUCHINGER Babenbergerstraße 5 – 1010 Wien, Tel: 0800 80 80 16