Der Präsident des österreichischen Blinden und Sehbehindertenverbandes, Dr. Markus Wolf, hat sich kürzlich in einem schriftlichen Interview mit der Behindertenorganisation BIZEPS zum Thema der geräuschlosen Fahrzeuge geäußert.
Leider ist ihm dabei derselbe Irrtum unterlaufen wie auch mündlich bei der Hauptversammlung des Blindenverbandes Wien, Nö und Bgld am 10.05.2014.
Zitat:
BIZEPS: Ist es richtig, dass in den USA schon ab September 2014 Warngeräusche verpflichtend in Elektro- und Hybridfahrzeuge eingebaut werden müssen? Soll das auch bei uns in Europa verpflichtend werden? Markus Wolf: Ich bin jetzt nicht ganz sicher ab wann die Warngeräusche in den USA verpflichtend sind, ich weiß aber, dass die Amerikaner den Europäern in dieser Frage deutlich voraus sind. Warngeräusche werden auch in Europa verpflichtend allerdings erst ab 2019 für neue Fahrzeuge und 2021 für Fahrzeuge, die schon jetzt oder bis dahin den Verkehr verunsichern.
Berichtigung von Elektra:
Wie ihr im Mail vom Informationsdienst der EU nachlesen könnt, werden leider ab 2019 nur neue Fahrzeugtypen und nicht neue Fahrzeuge mit einem AVAS (Warngeräusch) ausgestattet. Das bedeutet, nur wenn ein Hersteller einen neuen Typ entwickelt, dann muss er ab 01.07.2019 ein AVAS einbauen. Ab 2021 müssen auch nur die ab dann neu zugelassenen Fahrzeuge ein AVAS haben. Es gibt überhaupt keine Nachrüstung von Elektrofahrzeugen, die Zitat: “ schon jetzt oder bis dahin den Verkehr verunsichern.“
Zitat:
Markus Wolf
: Wir vertreten die Position, dass die Geräusche nicht abschaltbar sein sollten. Nun hat die EU beschlossen, dass geräuscharme Fahrzeuge einen Schalter zum Ausschalten des Warngeräusches bis zum nächsten Neustart des Fahrzeuges haben soll. Wir versuchen jetzt, über die nationale Gesetzgebung ein Verbot des Ausschaltens zu erreichen. Zum Vergleich: Fahrzeuglichter sind abschaltbar, aber es ist gesetzlich geregelt, dass nachts nur mit Licht gefahren werden darf – andernfalls wären sie unsichtbar und somit eine große Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer. Mit unhörbaren Fahrzeugen verhält es sich nicht anders. Daher brauchen wir für geräuscharme Fahrzeuge eine entsprechende Regelung. Das Geräusch kann zwar abschaltbar sein, wenn es nicht gebraucht wird, d.h. wenn das Fahrzeug aufgrund anderer Faktoren verlässlich ausreichend hörbar ist. Ist es das aber nicht, so darf es keine Möglichkeit geben, es auszuschalten.
Kommentar von Elektra:
Grundsätzlich wäre zwar ein nationales Verbot des Abschaltens meiner Meinung nach denkbar, aber wie soll die Kontrolle passieren? Während Licht weithin sichtbar und daher gut kontrollierbar ist, kann ich mir nur schwer Verkehrspolizisten vorstellen, die an den vorüberfahrenden Elektroautos horchen. Bei einem Unfall mit einem Fußgänger und einem E-Fahrzeug müsste es dann Ohrenzeugen statt Augenzeugen geben. Über 90% der Menschen sind so auf das Sehen fixiert, dass sie sich mit Sicherheit nicht erinnern werden können, ob das AVAS bei einem beobachteten Unfall an oder abgeschaltet war. Jetzt könnte man sagen, es könnte irgendein Lämpchen geben, das anzeigt, ob das AVAS an oder abgeschaltet ist, aber das wäre eine Veränderung am Fahrzeug und so etwas darf Österreich nicht vorschreiben. Bei der EU Verordnung geht es nämlich um die Vereinheitlichung der Zulassungskriterien für KFZ in ganz Europa. Alle Fahrzeuge müssen in ganz Europa zukünftig dieselben Kriterien erfüllen. Kein Land darf andere Kriterien verlangen.
Zitat:
Markus Wolf:
Das Geräusch kann zwar abschaltbar sein, wenn es nicht gebraucht wird, d.h. wenn das Fahrzeug aufgrund anderer Faktoren verlässlich ausreichend hörbar ist. Ist es das aber nicht, so darf es keine Möglichkeit geben, es auszuschalten.
Kommentar von Elektra:
Da kenne ich mich nicht aus. Darf es jetzt abschaltbar sein oder nicht? Welche Faktoren könnten das sein? Nicht vergessen, das AVAS kommt ohnehin nur bis zu einer Geschwindigkeit von 20 kmh. Ab 21 kmh gibt es kein AVAS. Ich kann mir kaum Umstände vorstellen, bei denen ein Fahrzeug bei unter 20 kmh hörbar sein sollte. Das Abrollgeräusch und Windgeräusch sind bei so niedrigen Geschwindigkeiten sicher zu leise um Zitat: „verlässlich und ausreichend hörbar“ zu sein. Außer vielleicht auf einem holprigen Feldweg.
Zitat:
Markus Wolf:
Bis zu welcher Geschwindigkeit das Warngeräusch unbedingt notwendig ist, muss – natürlich unter Einbindung betroffener Personen – wissenschaftlich getestet werden. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat gerade eine Studie mens „DrivEkustik“ zum Thema Hörbarkeit von Elektrofahrzeugen herausgegeben. Dort wurde genau das gemacht: wissenschaftliche Studien unter Einbeziehung blinder und sehbehinderter Menschen (in dem Fall des BSVÖ). Die Studie ergibt ganz klar, dass ein Warngeräusch erforderlich ist. Allerdings trifft sie über die Details der Gestaltung leider noch keine so konkreten Aussagen. Die EBU hat 40 km/h vertreten, der Rat hat 20 km/h angenommen. Meines Erachtens müssen das die Verkehrsexperten im Sinne der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer klären und wenn notwendig, den Wert nachverhandeln und anpassen. BIZEPS: Wir danken für das Interview.
Kommentar von Elektra:
Während Herr Dr. Wolf zuerst sagt:
Zitat:
Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) hat sich zusammen mit seinen Partnern in der Europäischen Blindenunion (EBU) auf europäischer Ebene für eine sichere Lösung für alle eingesetzt. vertritt er hier nicht mehr die 40 kmh, die die EBU gefordert hat. International gibt es bereits zahlreiche Studien zum AVAS und zu der Geschwindigkeit, bis zu der es notwendig wäre. Man müsste sie recherchieren und genau lesen, um herauszufinden welche seriös gemacht wurden und zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen. Zweifellos sind diejenigen aussagekräftiger, die ihre Tests im tatsächlichen Verkehrslärm gemacht haben, als die welche nur über Kopfhörer die Hörbarkeit getestet haben.
Positiv ist jedenfalls, dass sich der Blindenverband zunehmend immer mehr mit dem Thema der geräuschlosen bzw. geräuscharmen Fahrzeuge auseinandersetzt. Das ist sicherlich zumindest teilweise auf die Aktivitäten der Initiative Elektra zurückzuführen.